Nun, in den letzten 13 Jahren hat Microsoft immer wieder versucht die XP-Löcher zu stopfen, hat mal hier gezogen und mal dort geflickt. Aber wie es so ist: Durch all dies Ziehen, Zerren und Ausbessern wird brüchiger Stoff nicht widerstandsfähiger, das ist bei Socken so, bei alten Jeans und auch bei Windows. Und so macht Microsoft ein Ende mit der Flickschusterei und auch mit Windows XP. Und so ganz neu ist die Situation mir nicht.
„MS DOS wird es nicht mehr geben,“ startete Kurt Sibold,
Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, am 25. Oktober die deutsche Ausgabe
von Windows XP.
Das waren die Worte, mit denen ich im Oktober 2001 meinen Artikel in der F.A.Z. begann. Das ist ganz schön lang her, was sich nicht nur daran
zeigt, dass bei Microsoft Deutschland inzwischen etliche andere Geschäftsführer
folgten, sondern auch dass die Preise noch in DM angegeben wurden (200 Mark
fürs Upgrade und 500 Mark für die Vollversion der Windows XP Home Edition). Ich
erinnere mich noch, dass sich die die Begeisterung über den Neuanfang in
Grenzen hielt. Zwar waren die Erwartungen hoch, aber auch der Ärger, wenn
Drucker-, Scanner- Soundkartentreiber nicht mehr funktioniert, wenn Windows
nach Hause telefonierte und wenn Schutzfunktionen Systemressourcen kostete.
Kurz, Windows XP wurde bei weitem nicht mit der Sympathie
begrüßt, die der tränenreiche Abschied vermuten lässt. Die einen bemängelten
die Inkompatibilität zu seinen Vorgängern, die anderen die Gängelung durch
Microsoft, und alle zusammen die fehlende Sicherheit. Was das betraf, reagierte
Microsoft in den 13 Jahren meist erst mit Updates und Service Packs, wenn es
sein musste, bisweilen sehr spät und fast nie mit der gebotenen Offenheit. Die
Löcher zu stopfen, sollte reichen, empfand der Konzern, man musste nicht auch
noch hinterher allen erklären, wo sie zu sehen waren.
Dieses „Alte-Socken-Prinzip“ dokumentierte eher die
Bedrohung dokumentierte als dass es Stabilität bringt. Doch Microsoft war stark
genug, diesen Konflikt auszuhalten. Zumindest erschien es so. Immerhin
vermuteten damals viele aus der großen Gruppe der MS-Anwender und noch viele
mehr aus der kleineren Gruppe der MS-Verweigerer, dass Microsoft nach der
Weltherrschaft strebe. Dabei ging es immer nur ums Geschäft, leider auch, als
Microsoft im Jahr nach der Einführung von Windows XP die ersten
Windows-Tablet-PCs auf den Markt brachte. So nahm Microsoft zwar die
Bildschirmbedienung vorweg, die später zur großen Innovation modifiziert wurde,
allerdings von Apple und Google, die den Erfolg auf ihrem Konto verbuchten.
Doch zu dem Zeitpunkt, als der Siegeszug von Windows XP begann,
machte man sich in Seattle darum keine Gedanken. Im Endeffekt behinderte dann
der große Erfolg von Windows XP die notwendigen Strategien, verstellte den Blick
auf die notwendigen Entwicklungen. Hierin manifestierte sich ein typischer
Fehler von Microsoft: Die strikte Trennung zwischen Home und Business schuf
zwei Welten, die man noch für unvereinbar hielt, als die Grenzen längst
aufgeweicht waren. Statt die Chance zu nutzen und mit den hauseigenen Produkten
und Neuentwicklungen Vorreiter bei Consumeration of IT und Gamification zu
werden, versäumte das Unternehmen, die Szene für sich zu gewinnen.
Windows XP ließ Microsoft in der Windows-Tradition
festfahren. So gesehen war die breite Akzeptanz, die Windows XP erfuhr, der
Fluch der Company, und dass Windows XP so lange am Markt gehalten wurde, ließ
die Anwender, das Unternehmen und das PC-Geschäft träge werden. So gesehen wäre
ein früherer, härterer Schnitt wäre für alle Beteiligten besser gewesen.
Der damalige Microsoft CEO Steve Balmer, der zum
XP-Marktstart München besuchte, sagte:
„Die interessantesten
Anwendungen sind nicht im Betriebssystem, sondern interessant ist, was die
Entwickler auf es aufbauen.“
Heute wissen wir, dass es Microsoft tatsächlich gelang in Windows
XP verschiedene MS-Betriebssysteme zusammenzuführen, was für
Softwareproduzenten den Vorteil brachte, dass sie sich auf eine Systemwelt
konzentrieren konnten. Die verhinderte gleichzeitig den Schritt darüber hinaus.
Dass der Anwender seine PC-Anwendungen so sehr zu schätzen lernte, dass er sie immer
noch nicht eintauschen möchte, drängte Microsoft in eine unrentable Ecke. Ein
Zuschussgeschäft, bei dem aus Microsofts Sicht außer Schelte für Sicherheitslücken
nichts mehr zu holen war. Behalten möchten Windows XP all jene, die bei den
Folgeversionen Vista, 7 und 8 den Kampf mit inkompatibler Software und Hardware
fürchten. Was zählt ist im Endeffekt nicht das Betriebssystem, sondern die
Umgebung, angefangen vom Anwender über die Geräte bis zu den Anwendungen. Und
so hat das Ende meines Artikels von 2001 durchaus Bestand:
Hier zeigt sich dann, dass die Peripherie mitunter eine höhere
Verweildauer hat als der PC und die Software seltener wechselt. Dafür lässt das
Betriebssystem den PC öfter mal im neuen Gewand auftreten, was Windows
betrifft: jedesmal bunter. Doch Schelte hierfür gab es schon bei Windows 2.11,
3.0, 95 und NT. Und dann setzt die Gewöhnung ein.
(Eine gekürzte Version dieses Beitrags wurde im Technet-Presseblog von Microsoft veröffentlicht.)