..., stand auf dem Aufkleber. Er pappte auf einer Art Blechkiste
mit Henkel. Diesen Koffer schleppte ich während meines Studiums viele Jahre
mit mir herum. Der Blechkoffer mit seiner Aufschrift war somit gleichzeitig
Medium und Objekt einer Meinungsäußerung, die im Grunde nicht meine war, denn
das Klebeetikett wurde ja von jemand anderem hergestellt.
Zeitzeugnis: Die Uni, der Koffer, das Etikett (v.l.n.r.) |
Neben der
permanenten Ankündigung, dass meine Meinung gleich komme, hatte der Blechkoffer
noch eine zweite Funktion: Senkrecht aufgestellt, schuf er in seinem
Sichtschatten eine Privatsphäre, bot Schutz vor Beobachtung. Vorne kündete dann
der Aufkleber der Metallwand, ich wolle meine Meinung sagen, und hinter ihr konnte
ich verschwinden und schweigen.
Wer sich nun bei
dieser Beschreibung an die Dynamik sozialer Netze erinnert fühlt, in denen ein
Großteil aller Mitteilungen darin besteht, dass die Menschen ankündigen, etwas
sagen zu wollen, was sich dann darin erschöpft, dass Sie fremde Äußerungen
kopieren oder verlinken, wobei viele noch hinter der Barriere angenommener
Nutzernamen Schutz suchen, könnte auf die Idee kommen, dass sich nichts
geändert habe.
Und vielleicht ist
das auch so, bis auf einen kleinen Aspekt: Wenn ich mich einst tatsächlich entschloss,
meine Meinung zu sagen, musste ich aus der Anonymitätsbarriere des Koffer
auftauchen. Das gab dann der Meinung ein Gesicht, dass eine echte Person für
das steht, was ich zu sagen habe. Gleichgültig ob die geäußerte Meinung
fundiert war oder sogar Zustimmung fand, ein unveräußerliches Gewicht fand sie
zumindest als Äußerung einer realen Person.
Wo aber Menschen
sich nicht trauen, ihre eigene Meinung persönlich zu autorisieren, ohne dass politische
oder ökonomische Zwänge ihnen Gründe für dieses Handeln geben, sind diese
Meinungen nicht mehr als Aufkleber auf Blechkisten.