4.4.14

Schluss mit XP oder Löcher im System: Microsoft beendet Support für Windows XP am 8. April 2014

Alte Socke, Windows XP, löchrig und schlabberig, aber gewohnt und bequem. Also würde mancher gern die alte Socke weitertrage, denn man hat sich an sie, ihren Stil gewöhnt. Doch offensichtlich ist es Microsoft peinlich, dass seine Kunden so rumlaufen, also mit Lücken im Betriebssystem.


Nun, in den letzten 13 Jahren hat Microsoft immer wieder versucht die XP-Löcher zu stopfen, hat mal hier gezogen und mal dort geflickt. Aber wie es so ist: Durch all dies Ziehen, Zerren und Ausbessern wird brüchiger Stoff nicht widerstandsfähiger, das ist bei Socken so, bei alten Jeans und auch bei Windows. Und so macht Microsoft ein Ende mit der Flickschusterei und auch mit Windows XP. Und so ganz neu ist die Situation mir nicht. 

„MS DOS wird es nicht mehr geben,“ startete Kurt Sibold, Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, am 25. Oktober die deutsche Ausgabe von Windows XP.

Das waren die Worte, mit denen ich im Oktober 2001 meinen Artikel in der F.A.Z. begann. Das ist ganz schön lang her, was sich nicht nur daran zeigt, dass bei Microsoft Deutschland inzwischen etliche andere Geschäftsführer folgten, sondern auch dass die Preise noch in DM angegeben wurden (200 Mark fürs Upgrade und 500 Mark für die Vollversion der Windows XP Home Edition). Ich erinnere mich noch, dass sich die die Begeisterung über den Neuanfang in Grenzen hielt. Zwar waren die Erwartungen hoch, aber auch der Ärger, wenn Drucker-, Scanner- Soundkartentreiber nicht mehr funktioniert, wenn Windows nach Hause telefonierte und wenn Schutzfunktionen Systemressourcen kostete.

Kurz, Windows XP wurde bei weitem nicht mit der Sympathie begrüßt, die der tränenreiche Abschied vermuten lässt. Die einen bemängelten die Inkompatibilität zu seinen Vorgängern, die anderen die Gängelung durch Microsoft, und alle zusammen die fehlende Sicherheit. Was das betraf, reagierte Microsoft in den 13 Jahren meist erst mit Updates und Service Packs, wenn es sein musste, bisweilen sehr spät und fast nie mit der gebotenen Offenheit. Die Löcher zu stopfen, sollte reichen, empfand der Konzern, man musste nicht auch noch hinterher allen erklären, wo sie zu sehen waren.
Dieses „Alte-Socken-Prinzip“ dokumentierte eher die Bedrohung dokumentierte als dass es Stabilität bringt. Doch Microsoft war stark genug, diesen Konflikt auszuhalten. Zumindest erschien es so. Immerhin vermuteten damals viele aus der großen Gruppe der MS-Anwender und noch viele mehr aus der kleineren Gruppe der MS-Verweigerer, dass Microsoft nach der Weltherrschaft strebe. Dabei ging es immer nur ums Geschäft, leider auch, als Microsoft im Jahr nach der Einführung von Windows XP die ersten Windows-Tablet-PCs auf den Markt brachte. So nahm Microsoft zwar die Bildschirmbedienung vorweg, die später zur großen Innovation modifiziert wurde, allerdings von Apple und Google, die den Erfolg auf ihrem Konto verbuchten. 

Doch zu dem Zeitpunkt, als der Siegeszug von Windows XP begann, machte man sich in Seattle darum keine Gedanken. Im Endeffekt behinderte dann der große Erfolg von Windows XP die notwendigen Strategien, verstellte den Blick auf die notwendigen Entwicklungen. Hierin manifestierte sich ein typischer Fehler von Microsoft: Die strikte Trennung zwischen Home und Business schuf zwei Welten, die man noch für unvereinbar hielt, als die Grenzen längst aufgeweicht waren. Statt die Chance zu nutzen und mit den hauseigenen Produkten und Neuentwicklungen Vorreiter bei Consumeration of IT und Gamification zu werden, versäumte das Unternehmen, die Szene für sich zu gewinnen. 

Windows XP ließ Microsoft in der Windows-Tradition festfahren. So gesehen war die breite Akzeptanz, die Windows XP erfuhr, der Fluch der Company, und dass Windows XP so lange am Markt gehalten wurde, ließ die Anwender, das Unternehmen und das PC-Geschäft träge werden. So gesehen wäre ein früherer, härterer Schnitt wäre für alle Beteiligten besser gewesen.

Der damalige Microsoft CEO Steve Balmer, der zum XP-Marktstart München besuchte, sagte:

 „Die interessantesten Anwendungen sind nicht im Betriebssystem, sondern interessant ist, was die Entwickler auf es aufbauen.“ 

Heute wissen wir, dass es Microsoft tatsächlich gelang in Windows XP verschiedene MS-Betriebssysteme zusammenzuführen, was für Softwareproduzenten den Vorteil brachte, dass sie sich auf eine Systemwelt konzentrieren konnten. Die verhinderte gleichzeitig den Schritt darüber hinaus. Dass der Anwender seine PC-Anwendungen so sehr zu schätzen lernte, dass er sie immer noch nicht eintauschen möchte, drängte Microsoft in eine unrentable Ecke. Ein Zuschussgeschäft, bei dem aus Microsofts Sicht außer Schelte für Sicherheitslücken nichts mehr zu holen war. Behalten möchten Windows XP all jene, die bei den Folgeversionen Vista, 7 und 8 den Kampf mit inkompatibler Software und Hardware fürchten. Was zählt ist im Endeffekt nicht das Betriebssystem, sondern die Umgebung, angefangen vom Anwender über die Geräte bis zu den Anwendungen. Und so hat das Ende meines Artikels von 2001 durchaus Bestand:

Hier zeigt sich dann, dass die Peripherie mitunter eine höhere Verweildauer hat als der PC und die Software seltener wechselt. Dafür lässt das Betriebssystem den PC öfter mal im neuen Gewand auftreten, was Windows betrifft: jedesmal bunter. Doch Schelte hierfür gab es schon bei Windows 2.11, 3.0, 95 und NT. Und dann setzt die Gewöhnung ein. 

(Eine gekürzte Version dieses Beitrags wurde im Technet-Presseblog von Microsoft veröffentlicht.)